Auf Filmkongressen sprechen Akteure der Filmbranche einander liturgisch wirtschaftliche Gravität zu, auch wenn sie objektiv nicht gegeben ist. Solche Ereignisse waren in diesem Land, in dem es offenbar als Grundrecht angesehen wird, Geschäfte mit Film und Kino um jeden Preis und selbst auf Kosten von Kindern zu machen, immer schon Teil eines großen Illusionspanoramas in der Wagenburg des deutschen Films. Dort werden künstlerische Inkompetenz und der Untergang des Kinos als kulturelle Praxis achselzuckend in Kauf genommen. Doch seit dem Jahr 2018 hat der deutsche Filmbetrieb ein Forum der Opposition, seinen eigenen Kirchentag, den Kongress „Zukunft deutscher Film“, der Teil des Lichter Filmfests in Frankfurt am Main ist. Dieser geht auf einen Impuls von Edgar Reitz zurück, der als Unterzeichner des Oberhausener Manifests dazu beigetragen hat, dass hierzulande eine Filmförderung entstanden ist, die künstlerischen Absichten ein Überleben auf dem Markt sichern sollte.
Lars Henrik Gass, filmdienst.de, 28.4.2022 (online)