BBC-Mitarbeiter:innen sollen von einer Demo gegen Antisemitismus fernbleiben. Das zeigt, wie absurd die Idee vom neutralen Journalismus ist. […]
Die Spielregeln sind klar: Wer in den für Nachrichten und aktuelle Informationen zuständigen „factual journalism“-Redaktionen der BBC arbeitet, „sollte nicht an öffentlichen Demonstrationen oder Zusammentreffen zu kontroversen Themen teilnehmen“. So steht es in den redaktionellen Leitlinien, die qua Gesetz zu „Impartiality“, also einer Kombination von Ausgewogenheit und Neutralität, verpflichtet sind.
Dass es sich beim Krieg im Nahen Osten um so einen „controversial issue“ handelt, ist dabei genauso klar wie der Umstand, dass sich das für politisch denkende und handelnde Menschen mit der Neutralität bestenfalls auf dem Papier realisieren lässt. Die Praxis sieht anders aus, bedeutet aber natürlich auch, dass Pro-Palästina-Märsche für die BBC Kolleg*innen genau so tabu sind. […]
Doch das Thema am Sonntag hieß nicht Pro-Israel oder Pro-Netanjahu, sondern Anti-Antisemitismus, und jetzt wird’s natürlich philosophisch. […]
Dass die BBC auch anders kann, beweist sie bei den „Pride“-Märschen, die – ja, natürlich! – nicht als kontrovers eingestuft werden. Obwohl viele von denen, die jetzt aus der konservativen Ecke die BBC kritisieren, das vermutlich auch anders sehen. […]
Journalist*innen sollten ihre Position offenlegen und gleichzeitig fair und ausgewogen arbeiten. Die Trennung von Bericht und Meinung hilft da schon eine ganze Menge weiter.
Steffen Grimberg, taz.de, 26.11.2023 (online)