Wer sagt, was Wähler hören wollen, ohne Rücksicht darauf, ob das anständig ist, gilt als Populist. Der Begriff besagt im Grunde nichts. …. Leute, die als Populisten bezeichnet werden, nennen sich selbst nicht so, vielmehr behaupten sie, den gesunden Menschenverstand und die Interessen einer „schweigenden Mehrheit“ zu vertreten. In Deutschland haben viele dieser angeblich schweigenden Bürger mit der Verbreitung von Neonazi-Ideen, mit Morddrohungen gegen Lokalpolitiker, mit gewalttätigen Angriffen auf hilflose Passanten von sich reden gemacht: Wer so etwas tut, ist kriminell, ist rechtsradikal, und wer das anfeuert, ist auch rechtsradikal. Was solche Leute angeht, ist das Wort „Populist“ eine Verharmlosung. Schon deshalb ist es verfehlt. Auch ist der Begriff viel zu schwammig: Wer in einem Entwicklungsland mit Kritik an der globalen Übermacht der Industriestaaten auf Stimmenfang geht, sollte nicht in einen Topf geworfen werden mit dem US-Präsidenten Trump, der die EU erpresst.
Franziska Augstein, sueddeutsche.de, 27.08.2020 (online)