„Dialogradio heißt aber nicht nur Kommunikation mit den Hörern und Nutzern, es verändert auch das Verhältnis von Programmmachern und Programmnutzern und bedeutet in der Konsequenz: Personalisierung des Radios. Das Dialogradio wird seinen Hörern und Nutzern Angebote machen, Inhalte zu wählen, zu bewerten und zu „skippen“. Das Dialogradio wird auf Vorlieben reagieren und Titel, Genres, Stimmungen auch regionalspezifisch anbieten. Und es wird nicht nur auf Interaktionen, Nutzungszeitpunkte oder Orte reagieren, sondern vielleicht eines Tages mithören und dadurch gezielt auf das Lebensumfeld seiner Nutzer reagieren können. …
Auch bei älteren Hörern könnte Personalisierung eine wirksame Lösung sein, um auf die sich auch dort ausdifferenzierenden Musik- und Informationsbedürfnisse zu reagieren. Schlagerfreunde wissen, wovon die Rede ist. Ihre Vorlieben haben es immer schwerer, auf der Angebotspalette der Sender überhaupt noch einen Platz zu finden. Solche Hörergruppen hätten in Zukunft die Chance ihren eigenen Musikgeschmack mit dem übrigen Angebot ihrer Lieblingssender zu kombinieren und sich ihr eigenes Programmpaket zu schnüren, wozu weder das lineare Radio noch eine entsprechende Channelstrategie in der Lage wäre.
Personalisierung wird das Radio und seine linearen Programmstrukturen stärker verändern als alle bisherigen Entwicklungen zeitsouveräner Nutzung, Kommunikation in den sozialen Medien oder die strategische Programmverbreitung über Drittplattformen. Aber es könnte auch ein Königsweg werden, um einem quicklebendigen Radio seinen Platz in einer digitalen Medienwelt zu sichern, deren Wettbewerb immer mehr von Netzplattformen, Streamingdiensten und Programm-Aggregatoren bestimmt wird.
Und: Personalisierung ist eine Chance, öffentlich rechtliche, also gesellschaftliche Programmverantwortung mit einem veränderten, ausdifferenzierten Nutzungsverhalten zu verbinden, dem lineare Programmangebote auf Dauer nicht mehr gerecht werden können.
MDR-Hörfunkdirektor Johann Michael Möller in Promedia 05/2015