Nicht nur die Despoten und Autokraten in Russland, der Türkei oder Belarus verbieten oder drangsalieren in diesen Zeiten die Medien. Auch ausgewiesene Demokratien scheuen sich nicht, Druck auf Medienredaktionen auszuüben. In Frankreich hat nach der Nationalversammlung jetzt auch der Senat dem Regierungsplan zugestimmt, die Rundfunkgebühren zu streichen. Das öffentlich-rechtliche Rundfunksystem, vollmundig in Sonntagsreden als Teil der DNA einer Demokratie bezeichnet, steht überall unter Legitimationsdruck, auch in Großbritannien und in Deutschland. Eines der größeren Probleme hierzulande stellt allerdings die ARD selbst dar. […]
Was ist nun das Besondere an der jetzigen Reform? Angeblich sollen die Aufsichtsgremien gestärkt werden, also die pluralistisch besetzten Rundfunkräte, vom Selbstverständnis her eigentlich die Anwälte und Anwältinnen der Zuschauer und Zuschauerinnen. Die Gremien sollen Richtlinien für Qualitätsstandards aufstellen, die Intendanten/Intendantinnen in Programmfragen beraten; ferner sollen sie externen Sachverstand hinzuziehen und die Öffentlichkeitsarbeit über ihre Gremientätigkeit intensivieren. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer verstieg sich sogar zu dem abwegigen Vergleich, die Rundfunkräte seien das Parlament der ARD! Hat sie es nicht eine Nummer kleiner? […]
Die Probleme liegen woanders: Viele Gremienvertreter und Vertreterinnen machen schlichtweg Lobbyarbeit für ihre Organisation und scheren sich nicht um ihre eigentliche Funktion als Anwälte der Zuschauer; ihnen fehlt bisweilen die Professionalität, um ihre Aufgaben wahrzunehmen (Weiterbildung an erster Stelle). Nach vier Jahren Amtszeit im Rundfunkrat verlassen sie das Gremium, um für ihre Nachfolger Platz zu machen, die mit ähnlichem Halbwissen ausgerüstet sind. Aber ein Gremium braucht Kontinuität und Fachkompetenz. Die Organisationen und Verbände sollten also VertreterInnen in die Gremien entsenden, die am Thema Medien Interesse haben und nicht nur Honoratioren schicken, die Mandate sammeln.
Das weitaus größere Problem stellt allerdings die ARD selbst dar. Die ARD, und damit meine ich Chefredakteure, Programmdirektoren o.ä, die ich in all den Jahren erlebte, pflegen ihr Unfehlbarkeitsdogma in Programmfragen und wedeln die Meinungen der Gremien als lästige Einmischung weg. Gremien darf es geben, sie sollten aber ihre Kritik für sich behalten. Die ARD-Oberen sind in vielen Bereichen kritik- und beratungsresistent, ihnen fehlt schlichtweg eine Fehlerkultur. Von der mangelnden Transparenz in Finanzfragen will ich erst gar nicht schreiben.
Dieter Pienkny, Stellvertretender Vorsitzender des rbb-Rundfunkrates, bruchstuecke.info, 3.8.2022 (online)