Wenn Kritikerinnen fordern, Theater solle jetzt mehr Mut und Lebenslust aufbringen, folglich in ein gewagtes Spiel einsteigen, Diskurse und Projekte ermöglichen, so verkennen sie auch, dass die Personalpolitik von Kulturpolitikern bestimmt werden, die Angsthasen sind, denen Mut und Sachwissen fehlen. …
Verfolgt man die öffentlichen Debatten um Theaterkrisen, so greift unter den Intendanten, aber auch unter vielen Künstlern, ein gewerkschaftliches, kleinbürgerliches Angestelltenbewusstsein um sich, aber keine Kunstvision, kein Verlangen nach kultureller Hegemonie. Der Ensemblegedanke von Brecht, Kaiser oder Piscator beinhaltete aber eine Idee vom Bewusstsein des Stoffes, einen Gedanken über den Schauspieler in der Polis, eine Haltung der Spieler zur Welt. ….
Das Stadttheater der Zukunft müsste von einem großen Impuls geleitet werden, lokale Konflikte mit dem Kosmos verbinden und den „transzendental Obdachlosen“ (Georg Lukács) eine Heimat geben
Christoph Nix, sueddeutsche.de, 03.07.2021 (online)