Merz galt – neben dem Vorsitzenden der bayerischen CSU – als der Einzige, der ernsthaft ein Gegenprogramm zu Merkels Kurs verkörperte. Auf die CDU Einfluss nehmen konnte er in dieser Zeit allerdings kaum, da Merkel ihn 2002 vom Fraktionsvorsitz verdrängt hatte – er war der Scharfmacher im Wartestand.
Wie er es von dort aus bis ins Kanzleramt geschafft hat, verfolgen drei neue Bücher: Friedrich Merz. Die Biographie von Jutta Falke-Ischinger und Daniel Goffart, Friedrich Merz. Sein Weg zur Macht von Volker Resing und Der Unvermeidbare. Ein Blick hinter die Kulissen der Union von Sara Sievert. Liest man sie, wird das Bild von Merz als Gegenfigur zu Merkel brüchig, zeigen sich doch frappierende Ähnlichkeiten zwischen ihm und seiner größten politischen Gegnerin. Wie Merz galt auch Merkel vor ihrer Kanzlerschaft als beinharte Neoliberale – eine Art deutsche Margaret Thatcher. Erst die schlechten Wahlergebnisse und die erste Große Koalition brachten sie zum Einlenken.
Merz’ öffentliches Image als Neoliberaler ohne soziales Gewissen verdankt sich vor allem auch seiner Tätigkeit als Aufsichtsratschef des deutschen Ablegers von Blackrock. Gerade unter Linken gilt er seitdem als U-Boot der amerikanischen Finanzindustrie. […]
Merz soll so von dem Verdacht entlastet werden, diese Nähe könnte den künftigen Kanzler korrumpierbar machen. […]
Er arbeitete als Berater, Lobbyist und Wirtschaftsanwalt, nahm insgesamt neunzehn Aufsichtsratsmandate an, unter anderem von der Commerzbank, BASF, HSBC und – auf Vermittlung von Friede Springer, die im Aufsichtsrat des Hauptkonkurrenten saß – beim Recyclingunternehmen Interseroh. Zwar hatte sich Merz 2004 vom Fraktionsvorsitz und damit aus der ersten Liga der Bundespolitik zurückgezogen und 2007 angekündigt, nicht mehr für den Bundestag kandidieren zu wollen. Dennoch blieb er bis 2009 Bundestagsabgeordneter – auch wenn er in dieser Legislaturperiode keine einzige Rede mehr hielt, flossen die Diäten weiter.
Politische Mandate und wirtschaftliche Tätigkeiten überkreuzten sich bei Merz immer wieder.
Nils Schniederjann, jacobin.de, 01.05.2025 (online)