Das, was Publikumsgeschmack heißt, ist keine Naturkonstante. […] Nichts fördert die allgemeine Bedürfnislosigkeit so gründlich wie ein Programm, dessen oberster Grundsatz es ist, sich nach den durchschnittlichen geistigen Bedürfnissen zu richten. Indem die Rundfunkanstalten sich damit begnügen, den Publikumsgeschmack zu erkunden und ihm hinterherzulaufen, produzieren sie ihn zugleich, oder anders gesagt: Sie sind in hohem Maße selbst für die Geistes- und Geschmacklosigkeiten verantwortlich, die zu senden die Publikumsnähe ihnen angeblich gebietet.
Jurek Becker: Die Worte verschwinden, Spiegel 2/1995, S. 160 (online)