Im Koalitionsdrama von Magdeburg, das ein Drama der dortigen CDU ist, geht es um Macht und Ambitionen, Intrigen und Dolchstöße, Strategie und Taktik. Und es geht, wie so oft in den vergangenen Jahren in Ostdeutschland, um eine zentrale, den Kern der Demokratie berührende Frage: Wie halte ich es mit einer besonders starken, besonders radikalen AfD? Die Entwicklung hat mit den örtlichen Gegebenheiten zu tun, und mit den Eruptionen des vergangenen Jahrzehnts, den wiederkehrenden Krisen, dem Aufstieg des Populismus, der Polarisierung der Gesellschaft. Aber sie lässt sich auch nicht ohne die Eigenheiten der ostdeutschen CDU erklären. …. Das Agieren vieler Parteimitglieder lässt sich eben nicht nur mit der AfD oder gar dem Machtvakuum innerhalb der Union am Ende der Ära von Angela Merkel erklären. Vielmehr ist ihr Handeln historisch, strukturell und ideologisch bedingt. …. Neben ihrer unverarbeiteten undemokratischen Vergangenheit ist ihre Mitglieder- und Wählerschaft männlicher, ländlicher und älter als jene in den westdeutschen Bundesländern. So wie die AfD funktioniert sie damit als gesellschaftlicher Spiegel der überalterten, frauenarmen und nahezu durchgängig weißen ostdeutschen Provinz, wo, wie Studien, Umfragen und Wahlergebnisse zeigen, die antidemokratischen und ausländerfeindlichen Tendenzen im Bundesvergleich am stärksten ausgeprägt sind. Selbst jene Kommunalpolitiker und Landtagsabgeordneten, die persönlich eher anders denken, müssen sich zumeist anpassen, um ihr Mandat gegen die AfD zu verteidigen.
Martin Debes, Freitag 50/2020 (online)