Letztlich erweist sich Desinformation als „Catch-it-all“-Begriff, der nicht nur gegen äußere Feinde, sondern auch gegen innere Gegner und sogar gegen EU-Kritiker eingesetzt werden kann. Zur Sicherung der Informationsfreiheit ist er ungeeignet. Die EU wird ihrem eigenen Anspruch nicht gerecht, die Informationsfreiheit zu sichern und die demokratische Willensbildung zu fördern. Mit ihrem undifferenzierten und einseitigen Vorgehen bringt sie den „Treibstoff der Demokratie“ – die freie und unzensierte Information – in Gefahr. Es wäre daher höchste Zeit, die Rechtmäßigkeit der Eingriffe in die Medien zu überprüfen und die EU-Akteure zu mehr Transparenz und „Accountability“ zu zwingen.
Die laufenden Beratungen über ein „Gesetz über die digitalen Dienste“ („Digital Services Act“, DSA) bieten dazu eine gute Gelegenheit. Die EU-Kommission will die Kontrolle von Online-Inhalten und den Kampf gegen Desinformation damit gesetzlich verankern. Der „vierten Gewalt“ sollen Fesseln angelegt werden – und das nicht nur im Internet, wo mittlerweile auch Printmedien ihr wichtigstes Standbein haben. Die Zukunft der Informations- und Medienfreiheit steht auf dem Spiel. Der legitime Schutz vor „hybriden Angriffen“ von außen darf nicht dazu mißbraucht werden, die Pressefreiheit im Innern auszuhöhlen.
Eric Bonse: Wie EU und Nato gegen Desinformation vorgehen. 6.10.2021 (pdf)