Natürlich gab und gibt es in den Redaktionen viele, die nicht in der Lage sind, Projekte freundlich abzusagen, die heraushängen lassen, wie abhängig wir Kreative von ihnen sind oder die sogar versuchen, ein Projekt inhaltlich oder formal zu beeinflussen, damit es zugänglicher wird. Aber es gibt auch viele, die das Kino genauso lieben wie wir. Die Großes erreichen wollen, Mut haben und wahnsinnige Risiken eingehen möchten. Sie werden immer weniger, ihre Etats schmelzen, und die Unterschriften, die sie vor einer Projektfreigabe im eigenen Haus einholen müssen, werden immer mehr. Die öffentlich-rechtlichen Fernsehredaktionen waren für das deutsche Kino immer dann wichtig, wenn es sich unabhängig vom Markt erneuern musste, wenn kluge, kinoaffine Menschen, ohne finanzielles Risiko agieren konnten, um etwas auszuprobieren, was notfalls auch scheitern durfte.
Wenn wir bei den A-Festivals und bei den Oscars weiter eine Rolle spielen möchten, brauchen wir die öffentlich-rechtlichen Sender. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wer auf der Liste stünde, wenn es ARD und ZDF nicht gäbe. Wir als Filmschaffende sollten jetzt Wut und Enttäuschung, zu der die Zusammenarbeit oftmals Anlass gibt, hinter uns lassen und auf diese gemeinsame Erfolgsgeschichte schauen. Damit in zehn Jahren eine künstliche Intelligenz neue Regisseurinnen hinzufügen konnte, Kolleginnen, die jetzt gerade in den Startlöchern stehen, für die es die Nachwuchsschmieden und Versuchslabore des öffentlich-rechtlichen Fernsehens braucht. Ich weiß, wie reformbedürftig dieser ganze Apparat ist, wie schwer er sich gerade gegen die Kritik behaupten kann, dass sein Publikum wegaltert und kein neues hinzukommt. Aber wenn wir ihn einmal aufgegeben haben, ist er für immer weg.
Julia von Heinz, sueddeutsche.de, 19.08.2024 (online)