68 Prozent der Bevölkerung in Deutschland leben in Kommunen mit weniger als 100.000 Einwohnern, 59 Prozent mit weniger als 50.000. Deutschland ist überwiegend Provinz. Überregionale Medien berichten auch aus der Provinz, aber sie neigen zu zwei Fehlern: Entweder fahren sie erst raus, wenn es brennt. Das ist ungerecht, weil es den Eindruck erweckt, dort brenne es immer. Oder wenn es mal nicht brennt, landen Reporter:innen hier wie ein Ufo, glauben, ein bis zwei Tage oder auch nur ein Abend und ein paar ironische Formulierungen würden ausreichen, um der Provinz gerecht zu werden. Als ob die weniger komplex wäre, weil dort weniger Akademiker leben. Ironie klingt abfällig, sobald der Leser näher am Protagonisten ist als am Autor. An Erkenntnisgewinn interessierte Reporter wie Henning Sußebach von der Zeit gehören zu den Ausnahmen. Warum verpflichten überregionale Medien eigentlich nicht einige Reporter, für den Perspektivwechsel dauerhaft aufs Land zu ziehen?
Sebastian Dalkowski, journalist.de, 12.4.2022 (online)