Hundert Jahre später sagt eine BBC-Moderatorin, die auch lieber ungenannt bleibt, als BBC-Reporter sei man diesen ständigen Druck gewöhnt, mal von der politisch rechten, mal von der linken Seite. Die Pressesprecher aller Parteien riefen regelmäßig an und beschwerten sich. „Du musst eben den Mumm haben, das durchzustehen.“ Man müsse sich immer bewusst sein, dass die BBC gerade von denen, die sie kritisieren, gern als politisches Werkzeug benutzt werde. The Beeb als Battlefield, als Kampfplatz der Politik, vor hundert Jahren wie heute.
„The BBC is for the people“, auch das sagt die Moderatorin, die BBC ist für die Öffentlichkeit da, nicht für die Politiker, es klingt fast trotzig. Genau das, der Fokus auf das richtige Publikum, kann schon mal vergessen werden, wenn man jeden Tag in der Parlamentsblase in Westminster arbeitet. In einer Welt, die man nur mit Chipkarte und Pin-Code betreten kann, in der Treppen knarzen, Aufzüge regelmäßig versagen und alle gleich aussehen in ihren Anzügen und Kostümen, Abgeordnete und Journalisten. […] „Die BBC hat Angst vor der Regierung“, sagt der Historiker Timothy Garton Ash am Mittwoch dieser Woche in einem Haus im Londoner Viertel South Hampstead. „Das ist seit einigen Jahren das Problem, und das schmerzt mich“, sagt er, „die BBC ist so ein Schatz.“ […]
Zumal es da ja noch die Sache mit dem Chairman gibt, dem obersten Boss der BBC, dem Chef des Generaldirektors. Der Chairman der BBC wird von der Regierung ernannt. […]
Richard Sharp ist ein 67-jähriger ehemaliger Banker von JP Morgan und Goldman Sachs, wo er der Chef des aktuellen Premierministers und ebenfalls ehemaligen Bankers Rishi Sunak war. Von 2001 an spendete er regelmäßig an die Partei der Konservativen, insgesamt 416 189,10 Pfund, umgerechnet mehr als 470 000 Euro. Die letzte Spende ging laut Spendenregister im November 2019 ein – fünfzehn Monate bevor Sharp zum BBC-Chef ernannt wurde. Während der Zeit, in der das Ernennungsverfahren lief, half er laut Sunday Times dem damaligen Premierminister Boris Johnson, einen Privatkredit von 800 000 Pfund zu sichern, indem er eine Verbindung zu einem kanadischen Milliardär herstellte. Johnson und auch Sharp streiten, kaum überraschend, jegliche Interessenskonflikte ab.
Michael Neudecker, sueddeutsche.de, 31.3.2023 (online)