Die erste Grenze des Journalismus ist die seines Selbstverständnisses. Das kreist in parlamentarischen Demokratien um Begriffe wie Unabhängigkeit, Neutralität, Objektivität, Unparteilichkeit usw. Diese Selbsterzählungen funktionieren nur durch die Setzung der eigenen hegemonialen Weltansichten als einzige Wahrheit (Demokratie gut, Marktwirtschaft gut usw.). In diesem Sinne sind die Auswirkungen der zentralen Wirkweisen des Wirtschafts- und Konsumsystem, das einen Eckpfeiler unserer Gesellschaft bildet, tabu: Im Kapitalismus war über Jahrhunderte lang das Klima keine Größe und damit kam sein Umweltverbrauch als Kostenfaktor nicht vor. Die ihm innewohnenden Bereicherungsmechanismen, die zwangsläufig Ausbeutung und Ungleichheit hervorbringen, sind kein Thema. So bleibt auch Journalismus zum Klimawandel oft analytisch flach und wirkt hilflos. Weil er seinen blinden Fleck nicht erkennen kann, ihn aber doch immer umschiffen muss: Der menschengemachte Klimawandel geht ursächlich auf das rücksichtslose Wirtschaftssystem zugunsten des konsumorientierten Lebenswandels der Einwohner*innen der westlichen Industriestaaten zurück.
Lorenz Matzat, klimajournalismus.de, 07.03.2021 (online)