Die größte Niederlage in meiner Arbeit (aus sorbischer Sicht) aber war, dass es nicht gelungen ist, für uns einen ähnlichen Platz im Rundfunkrat des MDR zu erkämpfen, wie wir ihn beim ORB haben. Ich ging davon aus, dass die Staatskanzleien in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt einen Gründungsvertrag für den MDR erarbeiten, in dem sie uns Sorben ausdrücklich das Recht auf Mitbestimmung und Kontrolle des Leitungspersonals und der Programmgrundsätze einräumen. Doch ich dachte, mich laust der Affe, als – wenn ich mich recht erinnere – Ende April die Übereinkunft der Ministerpräsidenten der drei Länder zwecks Zustimmung im Landtag eintraf. Die sorbischen Rechte fehlten dort schlichtweg: kein Platz im Rundfunkrat des MDR, kein eingetragenes Recht auf ein Studio in Bautzen und auf sorbische Programme. Dabei hatte mir Staatsminister Arnold Vaatz (CDU), der Chef der Sächsischen Staatskanzlei, noch Anfang des Jahres eine Regelung der Angelegenheit zugesagt. Nach der traurigen Nachricht über dieses Versäumnis begab ich mich sofort mit meinem Fraktionsvorsitzenden Karl-Heinz Kunckel in die Staatskanzlei. Doch es war zu spät, der fertige Vertrag zwischen den drei Ländern ließ sich, wie Vaatz »mit Bedauern« feststellte, nicht mehr »korrigieren«. Bei dieser Zusammenkunft, bei der ich beinahe »aus der Haut gefahren« wäre, versprach Vaatz, dass ein »sorbisches Studio des MDR« in Bautzen ebenso eingerichtet würde wie das »sorbische Studio« in Cottbus, wo künftig außer Rundfunk- auch Fernsehprogramme in Sorbisch angeboten werden sollen. Weiterhin kündigte er an, dass er für entsprechende Ergänzungen zum Rundfunkvertrag sorgen würde. Schon von Udo Reiter, der am 7. Juni als Intendant des MDR berufen wurde, wusste ich freilich, dass die sorbischen Wünsche an die neue Anstalt weitgehend erfüllt würden, zumindest was den Hörfunk betraf. Ich hatte mit ihm, als er noch Gründungsintendant war, am 16. Mai ein zweistündiges Gespräch »unter vier Augen« geführt (in einem Café in Leisnig). Dabei ging es um das Leitungsprofil und auch um wichtige Personalien. Desgleichen um die Erwartungen der Sorben an die neue Dreiländeranstalt. Der Intendant in spe hörte sich die Vorschläge der sächsischen SPD an, lehnte jedoch die namentlich genannten potenziellen Leiter in der Direktion des MDR und auch im Regionalstudio Bautzen ab. Zur Einrichtung einer sorbischen Fernsehsendung sagte er nur, dass darüber der künftige Rundfunkrat entscheiden sollte. In dem Moment war mir klar, dass Reiter keine »Antenne« für öffentlich-rechtliche Programme zugunsten von Minderheiten hatte.
Benedikt Dyrlich, Tagebuch, 21.12.1991 (zum Buch)