Obwohl ihre Kanäle mit Hass geflutet werden, darf das Community Management kaum etwas löschen. Dahinter steckt eine absurde Idee von Meinungsvielfalt. […]
Viele, vor allem öffentlich-rechtliche Social-Media-Redaktionen scheinen keinen konkreten Fahrplan zu haben, wie sie die Debattenräume, die sie mit ihren Kommentarspalten aufmachen, eigentlich bespielen wollen. In einer der Redaktionen, in der ich in diesem Bereich tätig war, hingen ausgedruckte Memes an der Wand, ein Großteil davon mit dem humoristischen Tenor: beim Community Management brennt’s eigentlich immer, es ist die Hölle, Kommentare moderieren ist Horror. Ein Grund dafür ist die Funktionslogik von Social-Media-Plattformen. […]
Es gäbe für das Problem eine einfache erste Lösung: Wenn in einer Kommentarspalte unter einem Beitrag nicht mehr sachlich diskutiert wird, sollte sie geschlossen werden. Gerade öffentlich-rechtliche Accounts müssten hier deutlich konsequenter und mutiger sein. […]
Wenn Kommentarspalten tatsächlich Orte für inhaltlichen Austausch sein sollen, müssen Community Manager:innen entsprechend qualifiziert sein – undankbarer Job hin oder her. Es würde also Sinn machen, den Austausch unter Social-Media-Posts auch den Teammitgliedern zu überlassen, die den jeweiligen Beitrag recherchiert haben und entsprechend im Thema sind.
Studierende anzustellen, die offensichtliche Beleidigungen und Morddrohungen löschen und auf inhaltliche Fragen bestenfalls mit schnellen Google-Suchen antworten, ist zu wenig für Plattformen, die Hass und Hetze belohnen und Empörung fördern. Es ist zu wenig für eine Zeit, in der rechte Netzwerke gezielt redaktionelle Kapazitäten binden, indem sie sie mit teils zusammenhangslosen, teils populistischen, selten aber im Einzelnen strafrechtlich relevanten Kommentaren fluten.
Johanna Sethe, uebermedien.de, 05.07.2024 (online)