Als einer der ersten erfaßte Godard, wie substantiell sich das damalige Modell weiblicher Schönheit veränderte. Auf uns wirken heute sogar die schönsten Schauspielerinnen in den „amerikanischen“ Filmen vor 1965 so, als hätten die Regisseure sie absichtlich häßlicher gemacht, entstellt durch Schminke, die allen denselben grüngelben Hautton verpaßte. Die Schöne Frau hatte älter auszusehen, etwa wie eine Vierzigjährige, auch wenn sie erst 25 war. Man setzte auf die junonische Makellosigkeit der Frau. Paradigmatisch dafür ist Sofia Loren, die mit ostentativer Majestät ihre erogenen Zonen zur Schau stellte. In Italien hieß es damals, sie wären „majorisiert“ (vergrößert), ein Neologismus, der wie das Gegenteil von „minorisiert“ (verkleinert) klang. Dann, ab der zweiten Hälfte der 1960er Jahre, sind die Frauen schön, wenn sie aussehen wie hübsche Girls, auch noch mit fünfzig Jahren. Heute gelten Frauen als schön, wenn sie Teenager bleiben, Minderjährige, kurz: unvollkommen. Godard hatte dieses teenagerhafte Hinübergleiten der Schönheit begriffen.
Sergio Benvenuto, Lettre International, 139/2022 (online)