Sonst könnten wir ja alle eine Kamera in die Küche stellen und hätten am nächsten Tag einen interessanten Film.
Für die Dokumentarfilmer stellt sich oft erst im Verlauf der Dreharbeiten heraus, wie eine Geschichte ausgeht. Dafür ist in unserer Filmlandschaft aber kein Platz mehr. Fernsehredaktionen oder Filmförderungsanstalten, die über die Finanzierung entscheiden, verlangen vorab sehr genaue Angaben, teilweise nicht nur über Drehorte und Personen, sondern auch über die zu erwartenden Dialoge.
Das alles hat zur Folge, dass sich viele Filmemacher Geschichten ausdenken und Fiktionalisierungen in dokumentarischen Filmen häufiger angewandt werden, als meist angenommen wird. Manchmal fordern auch TV-Redaktionen vorab aufgeschriebene Dialoge ein. Das verleitet geradezu zu gescriptetem Drehen.
Echte Menschen können das aber meist gar nicht, sie sind keine Schauspieler.
Alice Agneskirchner, Tagesspiegel, 26.03.2021, (online, Paid)