Seit ja nun auch schon ungefähr zwei Jahrzehnten reden wir über die Medienkrise, und während viele Erklärungen immer wieder zu hören und zu lesen sind, bekommen andere nicht die Aufmerksamkeit, die sie verdienen. Einige instruktive Gedanken zu dem, was wir Medienkrise nennen, hat nun Phillip Longman in einem Essay für die Januar/Februar/März-Ausgabe von „Washington Monthly“ niedergeschrieben. Erst einmal bietet es sich an dieser Stelle an, vorwegzuschicken, dass die Krise in den USA ganz anders ausgeprägt ist als in Deutschland. Longman: „In mehr als der Hälfte aller US-Countys haben die Menschen entweder keinen Zugang zu lokalen Nachrichten aus irgendeiner Quelle oder müssen sich auf ein einziges überlebendes Medienunternehmen verlassen, in der Regel eine Wochenzeitung.“
Die Kernthese seines Beitrags: „Der Zusammenbruch der Nachrichtenindustrie ist keine unvermeidliche Folge der Technologie oder der Marktkräfte. Er ist das Ergebnis politischer Fehler der letzten 40 Jahre, die die Regierung Biden bereits zu korrigieren versucht.“
Konkreter: Sie sei das direkte Ergebnis „spezifischer, dummer politischer Entscheidungen“, die Politiker sowohl der Republikaner und der Demokraten getroffen hätten. Unter anderem betont der Autor:
„Vor fast 20 Jahren begann Google mit einer Reihe von Übernahmen, die von den Aufsichtsbehörden blockiert worden wären, wenn nicht die damals geltenden laxen kartellrechtlichen Durchsetzungsstandards gegolten hätten, und schaffte es, die Kontrolle über wichtige digitale Werbemarktplätze zu erlangen, auf denen Publikationen und Vermarkter zueinander finden.“
Im Folgenden geht es um Googles marktbeherrschende Stellung „in every layer of the so-called ad tech auction market“ in Großbritannien. Ein Markt, auf dem Verlage „digitale Werbeflächen verkaufen und Vermarkter diese kaufen“.
Longman weiter: „Laut einer Kartellklage des US-Justizministeriums und der Generalstaatsanwälte von acht Bundesstaaten, die voraussichtlich in diesem Frühjahr vor Gericht verhandelt wird, hat Google dieses Monopol auch in den Vereinigten Staaten durch eine breite Palette wettbewerbswidriger, illegaler Praktiken aufgebaut und aufrechterhalten.“
Ein paar knackige Zahlen finden sich dann unter anderem in folgender Passage:
„Google gibt selbst zu, dass es von jedem Dollar, der zwischen Werbetreibenden und Publishern über seine Ad-Tech-Börsen fließt, durchschnittlich mehr als 30 Cent an Gebühren abschöpft. Im Jahr 2022 hat Google mindestens 32 Milliarden Dollar durch Anzeigen auf Websites Dritter eingenommen. Dieses Geld könnte und sollte in die Unterstützung von Verlagen und Journalisten fließen, denn schließlich sind es deren Fähigkeiten und Bemühungen, die die Leser und Zuschauer anziehen, die die Werbetreibenden erreichen wollen. Stattdessen fließt das ganze Geld dank der Kontrolle der Ad-Tech-Märkte direkt in die Kassen von Google.“
René Martens, MDR Altpapier, 24.01.2024 (online)