Ihn überraschte, nach eigenen Worten, „der inzwischen eklatante Mangel an satisfaktionsfähigen Persönlichkeiten im System“. Selbst ein Patriarch wie Dieter Stolte vom ZDF habe immer über eine philosophische Grundierung verfügt, heute aber regiere „der machtbewusste Technokrat, der komplett in einem inzestuösen System groß geworden ist.“ Das sagte Hachmeister im Herbst 2022 in seinem letzten Interview im „Handelsblatt“, eine Bilanz der vielen Skandale in den Funkhäusern, beim RBB und anderswo. […]
Zeit seines Lebens galt: Wer bei Lutz Hachmeister eine Meinung bestellte, bekam sie auch. Er wusste wie kein anderer um Bedürfnisse und Zwänge der Mediengesellschaft, und natürlich auch, wie er die Erwartungen an ihn am besten zu erfüllen hatte. Und so finden sich in den Archiven viele Beiträge zu aktuellen Medienfragen aus seiner Feder und noch mehr Interviews aus all jenen Jahren, als Leitmedien noch leiteten und noch nicht angefangen hatten, Twitter-Texte als Meinungen des Volks zu verkaufen, weil sie zwanghaft juvenil sein wollten. Das fand Hachmeister degoutant. Seine Rolle changierte zwischen der Neigung zum oft giftigen Aphorismus à la Johannes Gross und zur Analysekritik wie bei Walter Benjamin.
Lutz Hachmeister machte es niemanden leicht, am wenigsten sich selbst. Den Journalisten und Medienmanagern hielt er vor, es im Selbstbild freischwebender „Herolde der Meinungsfreiheit“ an der gebotenen Reflexion fehlen zu lassen, weshalb eine unabhängige Medienkritik so wichtig sei, die bei aller Geschmackssicherheit auch mit Daten und Fakten operieren könne. […]
Er durchschaute das System. Sein Ton war laut, aber er traf ihn. Er war der schlauste Provokateur, den das Land hatte. Ein Mann für jedes Podium.
Hans-Jörgen Jakobs, epd medien, 03.09.2024 (online)
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