Zitiert: Eine andere KI ist möglich

Die Fortschritte der künstlichen Intelligenz verblüffen, werfen aber auch die Frage auf, wozu die Technologie eigentlich dienen soll. In den 1970er Jahren träumten Hippie-Informatiker von Maschinen, die die menschliche Intelligenz fördern und die Welt besser machen sollten. […]

Die KI war von Anfang an weniger eine Wissenschaft – ergebnisoffen und mit letztlich unbekannten Zielen – als vielmehr eine Mischung aus Reli­gion und Technik. Das Ziel war von Beginn an klar: ein computergestütztes Allzwecksystems zu schaffen, das jede Aufgabe ohne besonderes Training bewältigen kann. Diese Vision firmiert heute unter dem Namen Allgemeine Künstliche Intelligenz (AKI).

Hier zeigt sich eine weitere Parallele zu den Wirtschaftswissenschaften: Im Kalten Krieg hatten die Technologen von der AKI eine ähnlich Vorstellung wie ihre Kollegen vom freien Markt: eine sich selbst regulierende und autonome Kraft, an die sich die Menschen anzupassen haben. […]

Das zentrale Ziel einer solchen solidarischen Post-KI-Technologie müsste sein, allen Menschen unabhängig von Klasse, ethnischer Zugehörigkeit oder Geschlecht Zugang zu den Institutionen, Infrastrukturen und Technologien zu verschaffen, die ihre kreative Autonomie fördern und ihre individuellen Potenziale voll zur Entfaltung bringen. Mit anderen Worten: Wir müssen den großen Fortschritt von Human Augmentation zu Human Enhancement, von der Erweiterung zur Bereicherung der menschlichen Fähigkeiten hinbekommen.

Eine solche Strategie sollte auf den Komponenten des Sozialstaats aufbauen, die am weitesten von den konservativen Imperativen der kapitalistischen Ordnung entfernt sind: Bildung und Kultur, Bibliotheken, Hochschulen und öffentlich-rechtliche Medien. Eine Post-KI-Technologie würde nach dieser Vision eine sozialistischen Bildungs- und Kulturpolitik unterstützen, statt das neoliberale Wirtschaftsmodell zu stabilisieren.

Evgeny Morozov, Le Monde Diplomatique, 08.08.2024 (online)

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Zitat der Woche
Gut zur Entgiftung des öffentlichen Diskurses wäre es, auch in den Beiträgen jener, die anders denken als man selbst, die klügsten Gedanken zu suchen, nicht die dümmsten. Man läuft natürlich dann Gefahr, am Ende nicht mehr uneingeschränkt Recht, sondern einen Denkprozess in Gang gesetzt zu haben.   Klaus Raab, MDR-Altpapier, 25.05.2020, (online)    
Out of Space
Auf seinem YouTube-Kanal „Ryan ToysReview“ testet der kleine Amerikaner Ryan seit März 2015 allerhand Spielzeug. Die Beschreibung des erfolgreichen Channels ist simpel: „Rezensionen für Kinderspiele von einem Kind! Folge Ryan dabei, wie er Spielzeug und Kinderspielzeug testet.“ Ryan hat 17 Millionen Abonnenten und verdient 22 Millionen Dollar im Jahr. Berliner Zeitung, 04.12.2018 (online)