Seit Jahren ist klar, dass der Programmauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks überholt ist und dass ihn auch deswegen alle möglichen Akzeptanzprobleme plagen. Manchen ist das Angebot zu ältlich, anderen ist es zu teuer, Dritten zu erzieherisch und links. Mehrfachnennungen möglich. …
Es ist also der Osten der Republik, wo der Druck auf das öffentlich-rechtliche System am größten ist – aber auch dessen Chance, mit etwas Mut herauszufinden, wie er besser auf Kritik und eine sich fortwährend wandelnde Gesellschaft reagieren könnte. …
Bislang liefen die auf Skandale folgenden Debatten jedoch immer gleich. Die Öffentlich-Rechtlichen versprachen mit großer Geste Läuterung und warteten in Ruhe ab, bis unter den Kritikern die ersten Knallchargen auftauchten, die mit oft niederen Absichten gleich das ganze System abschaffen mochten. Dann rückten alle zusammen und schrien laut auf, Hilfe, Hilfe, dies ist ein Überfall auf die Pressefreiheit! Schließlich zeigten die Kritisierten geschickt mit dem Finger auf andere, am liebsten die Landespolitik. Diese müsse den Programmauftrag anpassen, vorher gehe leider gar nichts. Nur ist diese im föderalen System von Bedeutungsverlust bedrohte Landespolitik leider selbst reformbedürftig und klammert sich – gleich dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk – an Gewohnheiten und Pfründen, statt unvermeidlichen Wandel offensiv anzunehmen. In der Reformfrage blockieren sich also auch zwei lethargische Systeme gegenseitig. …
Manches Problem lässt sich nicht schnell beheben, etwa die riesige finanzielle Belastung durch Pensionen und Altverträge. …
Er könnte die Chance nutzen, seine mit zig Funkhäusern gerade im Regionalen grotesken Mehrfachstrukturen proaktiv und grundständig zu reformieren, um mehr Budget frei zu machen etwa für echte journalistische Arbeit in der Fläche und für ein Angebot, das die Gegenwart dieses Landes in allen Farben und Formen abbildet.
Ein solcher Wandel ist mit der Besetzung von Spitzenposten nicht allein zu schaffen, aber er beginnt dort. Auch an dieser Stelle gibt es die Chance, sich nicht weiter selbst zu blockieren.
Cornelius Pollmer, sueddeutsche.de, 20.8.2022 (online)