Wie nennen unsere Journalisten, die ja frei, ohne jegliche staatliche Zensur oder Einflussnahme (Artikel 5, Grundgesetz) berichten, das Auftreten westlicher Armeen in der Welt? Es kann durchaus vorkommen, dass der Begriff „Krieg“ verwendet wird – beispielsweise bei der Berichterstattung über den US-geführten Irak-Krieg. Die Kennzeichnung „Angriffskrieg“ und die Adjektive „völkerrechtswidrig“ oder „brutal“ waren in diesen Fällen allerdings höchst selten zu hören oder lesen – obwohl ihre Verwendung sachlich ebenso gerechtfertigt gewesen wäre wie beim russischen Krieg in der Ukraine: Der Irak wurde von den USA angegriffen, und zwar ohne UN-Mandat (das ist die Definition für „völkerrechtswidrig“). Und „brutal“ ist jeder Krieg – das liegt in der Natur der Sache. […]
1999 beteiligte sich Deutschland am Jugoslawien-Krieg. In diesem Fall war es laut Regierungserklärung des damaligen Kanzlers Schröder eine „Militäraktion“ bzw. eine „humanitäre Friedensintervention“, die die separationswilligen Kosovaren vor einem angeblichen Genozid durch die jugoslawische Regierung beschützen sollte (die offizielle Begründung und ihre legitimatorische Absicht wurde von den WDR-Journalisten Jo Angerer und Mathias Werth in „Es begann mit einer Lüge“ thematisiert). Das schloss ein: die Bombardierung Serbiens, die 78 Tage dauerte, und Straßen, Brücken, Kraftwerke, Fabriken (u. a. auch Chemiefabriken mit hochgiftigem Fallout) sowie Städte zerstörte. Das war die „humanitäre Friedensaktion“. […]
Die von der Politik vorgegebenen Sprachregelungen wurden und werden in aller Regel getreulich nachvollzogen. Nicht etwa die Presse, sondern der deutsche Verteidigungsminister zu Guttenberg hat im Fall Afghanistan ab 2010 die Frage ins Spiel gebracht, ob man angesichts steigender deutscher (!) Opferzahlen nicht allmählich „umgangssprachlich“ von einem Krieg sprechen müsse. Gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Staaten können also sehr verschiedene Namen erhalten. Sie heißen „Mission“, „Einsatz“ oder „humanitäre Friedensintervention“ – was ihren Gewaltcharakter ausblendet und sie wegen ihrer einwandfreien Zwecksetzung legitimiert. Oder aber sie werden als Militäraktion, als militärische Spezialoperation oder als Präventivschlag bezeichnet und sollen damit als militärisch geboten und in ihrem Ausmaß kontrolliert, bedacht, jedenfalls beschränkt dastehen (auch die USA greifen gerne zum Namen „special operation“). Oder sie werden „Krieg“ genannt.
Renate Dillmann, jungewelt.de, 14.11.2024 (online, Auszug aus: Medien. Macht. Meinung. Auf dem Weg in die Kriegstüchtigkeit, Köln: Papyrossa 2024.)