Die Filmkritiken, die er in der DDR unter anderem für den »Sonntag« sowie »Film und Fernsehen« geschrieben hatte und dafür immer wieder mit Publikationsverbot belegt worden war, hatten auch in Hoyerswerda Kultstatus. Fred Gehler, der am 13. April 86-jährig in Leipzig verstarb und dessen Ableben außerhalb von Sachsen keinerlei Medienecho erfuhr, war nicht weniger als eine Legende. […]
Generationen lernten bei Gehler zu sehen, ohne den Zerrspiegel der Ideologie – eine Schule für weit mehr als »nur« die Filmkunst.
Von 1994 bis 2003 leitete er die Dokwoche – von der er wegen seiner kritischen Haltung zu Ostzeiten verwiesen worden war – als Direktor. Als erstes hatte er den (heute wieder eingeführten) Intendantenstatus beseitigt. Bei Gehler ging es um Film und nicht um Macht. Und es ging ihm darum, aufzuräumen mit dem Verständnis, der »Doggumendarfilm« – wie er bei ihm nur hieß – könne die »Wahrheit« erzählen. Kein Festival der »richtigen« Filme wollte er machen, sondern eines, das genau hinsieht und zum Widerspruch anregt.
Als er kam, befand sich das Festival in jeder Hinsicht – Bedeutung, Zuschauerzahlen, Finanzierung – auf dem Tiefpunkt. Unter seiner Leitung wurde es international wieder zu einer Größe (was danach fälschlicherweise oft bestritten wurde) – ohne die historisch gewachsene Bindung der Leipziger Normalbürger an das Festival aufzugeben. [….]
Von ihm habe ich gelernt, Dokumentarfilm nie vom Inhalt her zu betrachten, sondern immer als Kunstform, die ganz selbstverständlich auch mit Literatur, Theater oder bildender Kunst in Beziehung zu setzen ist.
Grit Lemke, nd-aktuell.de, 23.4.2023 (online)
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