Der erste Krieg, der durchgängig von einem Filmteam begleitet wurde, war die mexikanische Revolution. Als der mexikanische Revolutionär Pancho Villa 1914 mit berittenen Truppen die Stadt Durango angriff, waren der – damals noch unbekannte – US-amerikanische Filmregisseur Raoul Walsh und sein deutscher Kameramann dabei. Sie filmten für die US-amerikanische Wochenschau, sozusagen als »embedded journalists«, genau wie die Kriegsberichterstatter im Irak-Krieg. Und das zu Stummfilmzeiten. Die mexikanische Revolution begann 1910 als Aufstand gegen einen Diktator. …
Die Revolution sollte für die Wochenschau gefilmt werden, und Pancho Villa bekam für jeden Monat Dreharbeiten 500 US-Dollar in Gold. Hollywood finanzierte also indirekt die mexikanische Revolution. …
Die Berichte aus Mexiko für die Wochenschau erfüllten ihren Zweck: Dem US-amerikanischen Publikum zu zeigen, dass eine ernstzunehmende berittene Streitmacht von Revolutionären in Mexiko das Sagen hatte – und zwar in Bildern, die den US-amerikanischen Sehgewohnheiten entsprachen.
Mit anderen Worten: Was wir jetzt im Ukraine-Krieg beobachten – unzählige Videos mit einer Mischung aus Live-Reportage, hochemotionalen, aber inszenierten Szenen, Desinformation und Propaganda für eine gute Sache – das gab es schon vor hundert Jahren. Vielleicht mit dem Unterschied, dass die Menschen damals nicht permanent dem Ansturm von Bildern ausgesetzt waren.
Sheila Mysorekar, nd-aktuell.de, 30.03.2022 (online)