Kurz, der ESC hat sich in halbwegs chaotischer Lage mit Jubel in die Innigkeit verabschiedet. Die 1982er-Siegerzeile „Ein bisschen Frieden“ wäre heute schon im Vorentscheid rausgeschnitten oder beitherapiert worden; wahlweise singender Putin-Knecht oder sehr wahrscheinlich Israelhasser. Israel musste das Wort „Oktober“ aus dem Songtext flexen, in sozialen Netzwerken erregte man sich über die Frage, ob die schwarz-weißen Fingernägel der portugiesischen Sängerin ein Pali-Bekenntnis seien. Der ESC war nie das „Festival des politischen Liedes“, doch „ein bisschen Haltung“ war immer willkommen, um mittelmäßige Musik unbekannter Künstler irgendwie in die Punkte zu hieven. An diesem Finale war trotz teils toller Beiträge erstmals wesentlich interessanter, was nicht drin stattfand. So ähnlich funktionierte das DDR-Fernsehen.
Friedrich Küppersbusch, taz.de, 12.05.2024 (online)