Der Name ist noch das Beste an der Sache, ein Zeugnis jener optimistischen Stimmung vor dreißig Jahren, als die europäische Integration auch kulturell und medial unterstützt werden sollte. Doch im Unterschied zum deutsch-französischen Kulturkanal Arte, der sich im Laufe der Jahrzehnte erweitert, verändert und klug entwickelt hat, kann der Sender Euronews als Fallbeispiel dafür dienen, wie man es in Europa nicht machen soll. Wie alles da ist – guter Wille, engagierte Menschen, ein neugieriges Publikum und sogar viel Geld -, und dann doch alles schiefläuft und nicht nur einmal, sondern mit Ansage und System. […]
So wird der Sender zum Symbol für all das, was an der Europäischen Union nicht klappt: Da ist die gute Idee, die in einer undurchsichtigen und wechselvollen Struktur wohnt und deren Hervorbringungen nur von einem kleinen Kreis verfolgt werden. Dabei ist das Konzept ungemein verführerisch. Die nationalen Nachrichtensendungen bilden eine nationale Perspektive ab, weil die ihren Aufträgen entspricht. Demzufolge ist beispielsweise für die belgischen Fernsehzuschauer der belgische Premier der wichtigste Mann in ihren Abendnachrichten. Und wenn es Probleme gibt, kann der jeweilige Regierungschef alle Schuld in Brüssel abladen, ohne Widerspruch fürchten zu müssen. In diesem Sinne ist das Versprechen, das mit einem europäischen Nachrichtenkanal verbunden ist, nach wie vor unerfüllt, der Bedarf sogar dringender denn je. Aber der sollte dann vernünftiger aufgestellt sein und vor allem viele Menschen wirklich erreichen.
Nils Minkmar, sueddeutsche.de, 25.3.2023 (online)