Angebote wie der ARD-Faktenfinder können selbstredend gute Dienste leisten, zum Beispiel übersichtlich Informationen zu verbreiteten Gerüchten aufbereiten. Doch das implizite Versprechen des Fact-Checking geht deutlich darüber hinaus: Es ist das einer über den Dingen stehenden, gewissermaßen letztgültigen Wahrheits-Instanz.
Mit dem Bremer Soziologen Nils Kumkar lässt sich schon die Grundannahme anzweifeln, politische Konflikte könnten dadurch geklärt werden, dass problematischen Behauptungen vermeintlich reine Tatsachen entgegengestellt werden. In seinem gleichnamigen Buch erklärt er die kommunikative Funktion „alternativer Fakten“. Diese böten eine Ausflucht aus Dilemmata, die entstehen, wenn Tatsachen klar auf der Hand liegen, „mit denen man sich nicht auseinandersetzen kann oder will“. Der Streit um die Wahrheit selbst werde zum Thema. Das, worum es zunächst ging, gerate in den Hintergrund. […]
Der Faktencheck, so der WDR, sei „als klärende Ergänzung zu solchen Passagen der Sendung“ gedacht, „in denen sich widersprechende Aussagen zu Fakten gemacht werden“. Nils Kumkar gibt dagegen zu bedenken, dass hinter dem Faktencheck verloren zu gehen drohe, dass mitunter so verschiedene Perspektiven auf eine Sache existierten, „dass diese gar nicht mehr direkt aufeinander beziehbar sind“. Dann werde aneinander vorbeigeredet, wie im Fall der „Hart aber Fair“-Sendung, das ließe sich nicht mit Tatsachenprüfungen weg regulieren.
Nelli Tügel, taz.de, 9.3.2023 (online)