Dann brachte mich der Mauerfall dazu, mich in deutsch-deutsche Medienpolitik einzumischen, weil dem in Wendezeiten aus der „Stimme der DDR“ und dem Kulturprogramm „Radio DDR II“ entstandenen Deutschlandsender Kultur die Abwicklung drohte.
Dabei war ein mehrfach kompetentes Personal hungrig darauf, endlich ohne Weisungen aus der Agitationskommission des ZK Programm für die Leute zu machen, die sich im Vereinigungsstrudel zurechtfinden mussten. Unter Leitung des politisch erfahrenen Schweizer Bildhauers Max Bill fand sich ein „Kuratorium DS Kultur“ zusammen, dass den Überlebenskampf wortgewaltig und mit einer Vielzahl von Ost- und Westpersonal aus Politik und den Künsten unterstützte. […]
Wir sahen im Erhalt von DS-Kultur nicht nur eine Notwendigkeit, um den neuen Bürgerinnen und Bürgern institutionell ein eigenes Sprachrohr zu garantieren, sondern vor allem eine Chance, um wenigstens ein Stück Gleichberechtigung im schwierigen Einigungsprozess zu schaffen.
Vielleicht war der Deutschlandsender Kultur ein Übungsplatz für die zu erwartenden Streitigkeiten zwischen den Ost-West-Mentalitäten und dem daraus entstehenden Konfliktpotenzial. Zum Jahresende 1993 hatte endlich auch Thüringen den Staatsvertrag zur Gründung von Deutschlandradio mit zwei bundesweiten Programmen ratifiziert. An dieses Jubiläum sollte ebenso erinnert werden.
Klaus Staeck, fr.de, 18.10.2023 (online)