Die Fiktion einer diskursiven Übermacht von links, die man schwer beweisen kann und auch nicht beweisen muss, ermöglicht es Männern wie Nuhr, Lanz oder Precht, sich in eine Opferposition zu begeben, in der sie sich als heroische Außenseiter inszenieren können.
Das funktioniert, weil wir uns im Zeitalter einer allgemeinen Machtvergessenheit befinden. Damit meine ich eine gesellschaftlich weit verbreitete Unfähigkeit, einzuschätzen, wer tatsächlich Macht besitzt und wer nicht.
Der gesunde Menschenverstand würde davon ausgehen, dass Macht bei denen liegt, die Ressourcen, Aufmerksamkeit und institutionellen Zugang in Massen gehortet haben. Also etwa die Betreiber eines extrem erfolgreichen Podcasts, der vom ZDF mit einer riesigen Summe finanziert wird. Zumal Precht ein reicher Buchautor und Lanz der Moderator einer der wichtigsten Talkshows im deutschen Fernsehen ist. Auch Nuhr verfügt über eine riesige Bühne und wird – wenn er nicht sehr schlecht mit Geld umgehen kann – inzwischen märchenhaft wohlhabend sein.
Es fällt also schwer, sich Menschen auszudenken, deren Meinungsfreiheit weniger einschränkt ist. Und doch ist die Vorstellung weit verbreitet, dass nicht solche Menschen die Debattenhoheit besitzen, sondern ein vager progressiver Diskurs. Man muss sich schon sehr verbiegen, um zu dieser Erkenntnis zu kommen.
Johannes Franzen, uebermedien.de, 09.06.2025 (online)