Vom Polit-Thriller „Borgen“ bis zur Doku über Sahra Wagenknecht: Wenn es im Fernsehen um politische Macht geht, ertönen auf einmal Geigen und Fanfaren. Über ein erstaunliches Musik-Phänomen. […]
„House of Cards“ setzte damit seit seiner Erstausstrahlung 2013 einen deutlich düstereren Sound, als es das drei Jahre zuvor startende „Borgen“ tat, das allgemein als Ur-Sud des modernen, seriellen Politdramas gilt. Birgitte Nyborg im stets gefegten Kopenhagen ging es im Gegensatz zu Frank Underwood zumindest am Anfang auch schon mal um Inhalte, nicht nur um den Erhalt und Ausbau der eigenen Macht. Der Däne mit dem Künstlernamen Halfdan E, der die Streicher für „Borgen“ arrangierte, ab und zu das Ticktackticktack einer echten Eieruhr für etwas Spannung hereinwehen ließ und mit Paukenschlägen politische Paukenschläge andeutete, hat damals auch den Sound gesetzt, der seither von Film- und Fernsehmachern so oft kopiert wurde. Dass sein Werk im Farbton deutlich heller geriet als die vielen späteren Arrangements derselben Bauteile für andere Polit-Serien, dürfte nur bedingt daran liegen, dass er in einem früheren Karrierestadium den Bass für das Duo Laid Back beim Gute-Laune-Hit „Sunshine Reggae“ zupfte. Sondern daran, dass die Politik eine Populismuswelle, eine Pandemie und einige Kriege später nochmals deutlich zynischer geworden ist oder zumindest so wahrgenommen wird – in der Fiktion genau wie in der Dokumentation.
Moritz Baumstieger, sueddeutsche.de, 09.10.2024 (online)