„Ein Haus, ein Team, eine Marke“ – unter diesem Motto bezog im Herbst 2019 die Redaktion der „Tagesschau-Familie“ das crossmediale Nachrichtenhaus von ARD-aktuell in Hamburg-Lokstedt. Unter dem neuen Dach und in einem gemeinsamen Newsroom werden seitdem für lineare und digitale Kanäle „tagesschau“, „tagesthemen“ und „nachtmagazin“ sowie „tagesschau24“ und „tagesschau.de“ produziert.
Aus unterschiedlichen Gründen knirscht es in den Redaktionen. Das Klima ist wenig freundlich. „Die Stimmung bei ARD-aktuell war noch nie so schlecht. Die Kluft zwischen der Chefredaktion und dem gesamten Rest der Redaktion ist gewaltig.“ Wir haben sowohl mit Mitarbeitenden als auch mit dem Leitungsteam gesprochen, uns erreichten Briefe und andere Schriftstücke.
Ohne auf Details genauer einzugehen, ergibt sich für uns folgendes Bild:
Hoher Anspruch an Qualität und Perfektion, wenig Fehlertoleranz:
„Wir haben tatsächlich ein Klima der Angst bei der Tagesschau, der Angst vor Fehlern. Das ist der große weiße Elefant, der während jeder Sendung in der Mitte unseres schönen Newsrooms steht.“
Ausweitung der Angebote und Schichten, neue Teams sind noch nicht eingespielt:
„Die Redaktion von ARD-aktuell wächst enorm. Vielen neuen, jungen Kolleg*innen fehlt aber noch die Erfahrung. Die haben noch nie einen Fernsehbeitrag gemacht. Dadurch ist die Arbeit für die ‚Alten‘ nicht weniger geworden.“
Viele neue Angebote, viele tagesaktuelle Brennpunktthemen, hohes Arbeitsaufkommen:
„Die Dienstplanregelungen sind keine Kleinigkeit. Das haben wir unterschätzt. Die Leute arbeiten pro Schicht von der ersten bis zur letzten Minute.“
Ringen um neue Dienstpläne offenbart Kräftemessen mit der Chefredaktion:
„Das Dienstplanthema ist aufgeladen mit dem Machtthema. Es geht dabei um Autonomie und Selbstbestimmung.“
Wechselnde Chefredakteure, wenig langfristige Konstanz in der Führung:
„Für die Chefredakteure ist das hier eine Zwischenstation auf dem Weg nach oben. Die drei wissen nicht, wie wir arbeiten und warum wir so arbeiten. Das ist ein ausgewachsener Pferdefuß der Struktur.“
Botschaften der Chefredakteure kommen nicht an, es gibt kaum Verständigung:
„Null Kommunikation, von beiden Seiten überhaupt kein Vertrauen mehr.“
Generationenkonflikte sowie respektloser Umgang zwischen Kolleg*innen:
„Es gibt Machtmissbrauch von älteren Kolleg*innen. Hier passieren leider schlimme Dinge, bis hin zum Mobbing. Wir haben Kolleg*innen, die deshalb den Sender verlassen haben, über die immer noch schlecht geredet wird.“
(NDR Klimabericht. Analyse von Unternehmenskultur und Betriebsklima im Norddeutschen Rundfunk. März 2023. S. 50 f. online)