Allerdings scheint das Gratisdenken des Internets den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu infizieren; als ich kürzlich eine Einladung in die SWR1-Hörfunk-Sendung „Leute“ erhielt, um dort über mein neues Buch „Meine Apokalypsen – Warum wir hoffen dürfen“ (Wallstein) zu reden, einen Beitrag zur Klimadiskussion, zu hieß es, dass Bahnticket (Berlin-Stuttgart-Berlin) und Hotel übernommen werden, ein Honorar (oft „Aufwandsentschädigung“ genannt) aber nicht. […]
Und die Adresse für Bestseller gibts nicht mehr. Nicht mal das „Literarische Quartett“ gilt noch etwas; oft wissen Verlage selbst nicht, wie es zu einem Bestseller gekommen ist, wenn sie ihn schon haben. […]
Wissenschaftler bekommen ein Gehalt, Politiker Diäten. Insofern ist es nicht utopisch, dass manchen Gesprächspartnern ein Honorar nicht wichtig ist. Doch es gibt auch Millionen Deutsche, die (wie ich) nicht von Löhnen, Gehältern, Besoldungen, Renten, Diäten oder Pensionen leben, sondern ausschließlich von Honoraren. Für uns bedeutet Honorarverzicht dasselbe wie für die anderen Lohnverzicht, Rentenverzicht, Gehaltsverzicht usw. […]
Eine gewisse Empathiefähigkeit sollte allerdings vorhanden sein. Denn kein Ö/R-Mensch will alle fünf Minuten Sinn und Verwendung von Rundfunkbeiträgen rechtfertigen. Es ist unangenehm und peinlich, den eigenen Wert zu erklären.
Thomas Brussig, tagesspiegel.de, 15.08.2023 (online)