Tatsächlich sehen wir großen Umbrüchen im Dokumentarfilmgeschäft entgegen. Auf der einen Seite findet eine Regionalisierung statt, auf der anderen Seite aber auch eine Internationalisierung, die von den Streamern getrieben ist. Es gibt weltweit ein international geprägtes junges Publikum, welches aufwendig erzählte Dokumentarfilme und -Serien liebt. Auf diese Entwicklung reagieren inzwischen auch die traditionellen Player, die nationalen Broadcaster, die sich gerade langsam mit ihren Mediatheken umstellen. Das lässt sich vielleicht ganz gut an unserer neuen Reeperbahn-Serie feststellen, die wir für die ARD Mediathek machen. Das internationale Interesse daran war schon vor einem halben Jahr auf der MIPTV groß, als wir das Projekt vorstellten, und gerade erst sind wir auf dem Filmfest Hamburg damit sogar in den Fiction-Wettbewerb aufgenommen worden und haben beim Produzentenpreis für Serien direkt gewonnen. Dies alles zeigt ein breiteres Publikumsinteresse. Die Wahrnehmung von Dokumentarfilmen hat sich verändert. Allerdings geht es dabei auch nur um eine ganz bestimmte Art von Dokumentarfilmen und Serien. …
Die Filme müssen das Publikum unterhalten und vielschichtig erzählt sein. Im Zentrum stehen das Erzählerische und Dramaturgische. Das wird häufig verkannt. Viele versuchen sich nur an einer thematischen Einordnung, aber das ist eben oft nicht ausreichend und zielführend. Es geht darum, unterhaltend, aber trotzdem mit Tiefgang zu erzählen. Das erhöht die Chance, ein internationales und breites Publikum anzusprechen. … Die Ansprüche sind sehr hoch geworden. Um die Sehgewohnheiten zu bedienen, braucht es eine bestimmte Bildsprache, verbunden mit dem entsprechenden Aufwand und komplexeren Produktionsstrukturen.
Christian Beetz, dwdl.de, 18.10.2022 (online)