Die Gruppe von Sylt ist die perfekte Projektionsfläche. Man kann sich klar positionieren gegen Leute, die eh alle schrecklich finden: reich, verwöhnt, abgehoben. Man kann sich zum Sonderpreis von Rassismus distanzieren und auf Anerkennung für die ‚klaren‘ Worte hoffen. Besonders offensichtlich wird das im Fall von Julian Reichelt, der auf X folgenden Post absetzte: ‚Mit Papas Porsche nach Sylt hochknallen und dann schön Schampus, Hitler-Bart und Ausländer raus. Wie kaputt muss man im Kopf sein? Und wieso wird so was geduldet und hingenommen von der Bar und allen umstehenden Gästen?’ Nun, es ist derselbe Grund, aus dem heraus eine Gesellschaft duldet, dass Julian Reichelt auf seiner Plattform NiUS im Sekundentakt rassistische Narrative in die Welt pustet: weil rassistische Denkmuster normalisiert sind. Sie werden konsequent externalisiert. Rassismus existiert unter Extremisten, im Ausland – und nun, allem Anschein nach, unter Wohlstandsverwahrlosten. Nur nicht ‚bei uns‘.
Gilda Sahebi, taz.de, 26.05.2024 (online)