Daten zu Zielgruppen sind wichtig, ein Sender muss seine Nutzer kennen, ihre Rezeptionsgewohnheiten, ihre Themen.
Aber sind diese Kriterien zur „Eroberung“ neuer Zielgruppen wirklich die durchschlagenden Heilmittel? Die jungen User klicken – zumindest auf der Nachrichtenebene – weiter eher nicht die ARD eigenen Kanäle an, sondern bleiben den nicht kuratierten Infoportalen und Social-Media-Kanälen kommerzieller Anbieter treu. Und was ist, wenn die, die bisher ARD und ZDF geschaut oder gehört haben, sich von „bildungsfernen“ Programmangeboten eben nicht mehr angesprochen fühlen und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk auch noch abschalten?
In den Sendern wird der Sinn so mancher Vorgaben, die eher zweifelhaften Algorithmen folgen als der eigenen journalistischen Überzeugung, offen hinterfragt. Müssen die Anstalten den „Eroberungszielgruppen“ nur das bieten, was ihren genau berechneten Bedarf abdeckt? Sollten sie nicht vielmehr Angebote machen, die erst eine Nachfrage entstehen lassen? Also Programme, deren Inhalt die Zielgruppen kennen sollten, aber noch nicht kennen und deshalb auch nicht erwarten?
Hinken wir, so heißt es, nicht einer wirklichen Erneuerung immer hinterher, weil wir nur noch darauf schauen, was anderswo gerade erfolgreich war? Ohne selbst wirklich innovativ zu sein?
Andres Veiel, sueddeutsche.de, 06.08.2024 (online)