Mitleid steht mir nicht gut an, aber ich sehe, dass die Ministerpräsidenten sich Mühe geben, um eine Materie zu regeln, von der sie eigentlich gar nichts verstehen. Zeit für gründliche Beratungen haben sie übrigens auch nicht. Die Referenten haben die ganze Sache vorbereitet, dann wird getagt, und dann kommen die Intendanten und sabotieren, was sie können. Wer Recht hat und wer Unrecht hat, ist aber zum jetzigen Zeitpunkt schon gar nicht mehr so wichtig. Ich würde gern alle Impulse unterstützen, die von unten kommen, aus den Redaktionen. Im Moment geht alles nur von oben nach unten, und das ist ein Unglück. […]
Die Intendanten agieren ja weniger als Personen, sondern als Repräsentanten von Verwaltungskörpern. Sie repräsentieren die Interessen, aber vor allem auch die Gewohnheiten und Trägheiten ihrer Institutionen, an deren Basis es sehr viele Fähigkeiten und sehr viel guten Willen gibt. Die Intendanten in der ARD sind keine Könige und keine absolutistischen Herrscher. Das Fernsehen ist auch keine Monarchie, sondern eine Diktatur, es herrscht die Diktatur der Fernsehmentalität, also letztlich der Quote. So wird fast jede Form von Innovation erstickt. […]
Jede Öffentlichkeit ist ein lebendiger Körper, und wenn beim Fernsehen die einen verwalten und das Geld geben und die anderen produzieren sollen, aber nicht entscheiden dürfen, was sie produzieren, dann haben Sie eine Art Planwirtschaft, also eine Fehlkonstruktion. Was es bräuchte, sind Momente der Freiheit, ohne die Öffentlichkeit nicht möglich ist. Das gab es bereits, und es wird auch wieder kommen, weil die Menschen sich das nicht ausreden lassen.
Alexander Kluge, faz.net, 27.10.2024 (online)