Zitiert: Jahresbilanz – 708 Beschwerden an die Rundfunkräte

Die Rundfunkräte sollen das Programm der öffentlich-rechtlichen Sender kontrollieren und über Beschwerden entscheiden. Doch nur äußerst selten rügen sie die Anstalten für Verstöße. Deutschlandfunk-Recherchen zeigen: Das hat System. […]

Die meisten gingen beim Rundfunkrat des Bayerischen Rundfunks ein, die wenigsten bei denen von Radio Bremen und des Saarländischen Rundfunks. Warum der BR so weit vorne steht, ließ sich nicht abschließend klären; der Grund liegt vermutlich in den Unterschieden, was die Rundfunkräte als Programmbeschwerde anerkennen und damit zählen. […]

Aus den Daten, die vorliegen, kann man aber sehen, dass die Intendantinnen und Intendanten einem kleinen Teil der Beschwerden durchaus zustimmen; bei einigen Sendern ist es jede fünfte. Andere Beschwerden weisen sie zwar formal zurück, machen aber Zugeständnisse und räumen missverständliche Darstellungen oder Formulierungen ein. Rechnet man diese Fälle hinzu, ist sogar jede dritte Beschwerde zumindest teilweise berechtigt. […]

So räumte Buhrow zum Beispiel ein, dass ein Beitrag über einen Tag der offenen Tür in einem Bordell in Hagen nicht den WDR-Standards entsprochen habe; als Reaktion habe die Redaktion ein Hintergrundgespräch mit Experten zum Thema „Prostitution in Deutschland“ geführt.

In zwei Fällen gab Buhrow den Beschwerden statt. […]

Beim Deutschlandradio stimmte Intendant Stefan Raue insgesamt elf Beschwerden zu. Allein zehn bezogen sich darauf, dass sich in der Deutschlandfunk-Sendung „Kontrovers“ ein Hörer in einer O-Ton-Collage in Gewaltfantasien gegen den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskjy erging, wie es der Sender in seinem jährlichen Bericht über Lob und Kritik nennt.

Der ZDF-Fernsehrat verweist auf die Beschwerdeberichte der Vorsitzenden Marlehn Thieme. Demnach gab ZDF-Intendant Norbert Himmler im Jahr 2023 in mindestens fünf Fällen Beschwerden statt, einer der Fälle betraf die antisemtischen Äußerungen im Podcast „Lanz & Precht“. […]

Beim Mitteldeutschen Rundfunk gaben Intendantin Karola Wille und Ralf Ludwig, der ihr 2023 im Amt folgte, laut MDR mindestens zehn der eingegangenen Programmbeschwerden vollständig und weiteren acht teilweise statt. 42 wiesen sie zurück, zwölf davon wurden anschließend vom Rundfunkrat behandelt. […]

Für Radio Bremen schreibt der Rundfunkrat, Intendantin Yvette Gerner habe keiner Programmbeschwerde abgeholfen. Der NDR-Rundfunkrat führt keine entsprechende Statistik, geht aber davon aus, dass der überwiegende Teil der Beschwerden beim Intendanten keinen Erfolg hatte.

Die rudimentären Zahlen zeigen: Wenn Intendant oder Intendantin einer Programmbeschwerde stattgeben, wird dies statistisch nicht erfasst. Es bleibt also unklar, wie viele Beschwerden tatsächlich berechtigt waren.

Stefan Fries, @mediasres, 29.05.2024 (online)

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Zitat der Woche
Gut zur Entgiftung des öffentlichen Diskurses wäre es, auch in den Beiträgen jener, die anders denken als man selbst, die klügsten Gedanken zu suchen, nicht die dümmsten. Man läuft natürlich dann Gefahr, am Ende nicht mehr uneingeschränkt Recht, sondern einen Denkprozess in Gang gesetzt zu haben.   Klaus Raab, MDR-Altpapier, 25.05.2020, (online)    
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Auf seinem YouTube-Kanal „Ryan ToysReview“ testet der kleine Amerikaner Ryan seit März 2015 allerhand Spielzeug. Die Beschreibung des erfolgreichen Channels ist simpel: „Rezensionen für Kinderspiele von einem Kind! Folge Ryan dabei, wie er Spielzeug und Kinderspielzeug testet.“ Ryan hat 17 Millionen Abonnenten und verdient 22 Millionen Dollar im Jahr. Berliner Zeitung, 04.12.2018 (online)