Das Thema ist komplex: Zwar kann die stundenlange Dokumentation migrantisch geprägter Versammlungen durch Fotografen-Teams, die sich keine normale Zeitungsredaktion leisten kann, auch ein öffentliches Interesse darstellen. Tatsächlich finden sich in ihren nachfolgend stark editierten Online-Videos manchmal volksverhetzende und gewaltverherrlichende Aussagen, die unter Demo-Teilnehmern gefallen sind. Dennoch lässt sich fragen, ob ein Monitoring durch staatlich finanzierte Organisationen Journalismus darstellt oder eher einer verfassungsschutzähnlichen Überwachung ähnelt.
Noch schwieriger wird es, wenn manche Akteure dieser pro-israelischen Szene nicht nur filmen, sondern sich Protestierenden aggressiv annähern und Wortgefechte mit ihnen suchen und das Ganze dann genauso aufdringlich aufnehmen. Auch provokatives Vorgehen kann in Ausnahmefällen journalistisch berechtigt sein, aber hier scheint etwas anderes dahinterzustecken.
Denn wenn bekannte Vertreter der Springer-Presse, deren Tochterfirma von Geschäften in israelischen Siedlungen profitiert, oder Mitarbeiterinnen von Vereinen, die das israelische Militär öffentlich loben, gezielt in palästinensische Proteste eindringen, dürfen sie sich kaum wundern, wenn dies gewaltsame Reaktionen hervorruft. Vor allem von Teilnehmenden, deren Familien aktuell israelische Kriegsverbrechen erleiden. In der Tat scheinen manche dieser mit Presseausweisen ausgestatteten Aktivistinnen sie sogar bewusst herbeiführen zu wollen.
Das kann man auch im Bericht der internationalen Organisation Reporter ohne Grenzen nachlesen, die die „Nahost-Demonstrationen“ zum „gefährlichsten Ort für deutsche Journalistinnen im Jahr 2024“ erklärt hat. Interessant ist jedoch, dass der Bericht erst im Kleingedruckten zugibt, dass sich von den 40 verifizierten Vorfällen 29 nur gegen zwei Personen richteten – einen streitsuchenden „Bild“-Journalisten und einen mit ihm zusammenarbeitenden „Fotojournalisten“, der für eine pro-israelische Organisation »vor Ort war«.
Das rechtfertigt natürlich keine Gewalt. Doch die Annahme, hier ginge es allein um Pressefreiheit, ist blauäugig.
Yossi Bartal, nd-aktuell.de, 23.06.2025 (online)