Journalismus ist primär eine rückblickende Tätigkeit. Über 90 Prozent der journalistischen Ressourcen (…) setzen wir (dafür) ein, zu verstehen und zu berichten, was gerade passiert ist oder was jetzt gleich unmittelbar passieren wird – (und) dann zu interpretieren, was das bedeutet. Die Klimakrise zwingt uns aber, Ereignisse und abzuwendende Ereignisse im Jahr 2030 zu diskutieren, gegen die jetzt schon Steuergelder investiert werden oder gern die Unternehmen investieren (…) Oder im Fall der EU 2050 oder 2045. Oder im Fall indischer und chinesischer Klimaversprechen (…) 2060, 2070. Mir fällt kein einziges Beispiel aus der Journalismusgeschichte ein, in der Journalismus gezwungen war, so weit in die Zukunft zu schauen. … Das Etablieren von allgemeinem Klima-Grundwissen, den wichtigsten Emissionsquellen, dem Zeitraum, der uns zur Verfügung steht, der Rolle nicht nur der Energiewirtschaft, sondern beispielsweise auch der Landwirtschaft, der Bauwirtschaft, der Zementindustrie, der Textilwirtschaft, der Mode – dieses Grundwissen zu vermitteln, ist der mit Abstand wichtigste journalistische Bildungsauftrag dieser nächsten Jahre, und die Öffentlich-Rechtlichen haben dort eine wirklich große Verantwortung
Wolfgang Blau, MDR Altpapier, 13.6.2022 (online)