Jedes einzelne Wunder des Lebens wird von der vitalen Wechselseitigkeit und der dialogischen Plastik des multilateralen Zusammenwirkens getragen. Alles Handeln ist angewiesen auf Koaktivität, alles Bewohnen der Erde auf Kohabitation, jeder Zukunftstraum auf Kollaboration. Natural-soziale Gebilde sind Mäander, freie Bewegungstänze im Zusammenspiel vitaler Akteure und vielfältiger Einflüsse. Und wenn es richtig ist zu sagen, Freiheit sei die Freiheit des anderen, dann nicht, weil damit der eine vom anderen in seinen egozentrischen Ansprüchen abgegrenzt wird, sondern weil es in einem tieferen Verständnis der Aufruf zu einem koordinierten Handeln ist, in dessen Vollzug alle Seiten auf eine Weise zur Freiheit gelangen, die niemand für sich allein hätte jemals erreichen können.
In diesem genauen Sinn stellt uns der Mäander das planetarische Modell einer vielseitigen, dialogischen Plastik zur Verfügung und animiert damit zu einer so folgenreichen wie ungewöhnlichen Idee von Freiheit. Souveränität ist die Souveränität innerhalb von Beziehungsgefügen, die menschliche wie nichtmenschliche Wesen gleichermaßen einbezieht. Dialogische Souveränität geht aus einem schwingenden Prozess interagierender Lebewesen hervor, die sich auf diesem Weg in die Freiheit versetzen, ihr Leben mit höherer Intensität, Wirkungskraft und Zufriedenheit zu führen, ohne andere Lebensformen zu dominieren, zu beschädigen oder zu vernichten.
Volker Demuth, Deutschlandfunk Essay und Diskurs, 14.12.2025 (online)

