Was in der Rundfunkpolitik im Vorfeld der Gesetzesverabschiedung aus meiner Sicht darüber hinaus verkannt wurde, ist die Tatsache, dass die Entwicklung und Gewichtung von Qualitätskriterien für die fiktionale Unterhaltung, die auf die Vorgaben des gesetzlichen Funktionsauftrags abgestimmt und zudem operationalisierbar und messbar sind, in der kommunikations‑ und medienwissenschaftlichen Forschung ein weitgehendes Forschungsdesiderat darstellt. Können die Gremien in Bezug auf Informations‑, Kultur‑ und Bildungsprogramme noch auf gut erforschte und allgemein anerkannte journalistische Qualitätskriterien und ‑standards zugreifen, fehlt es für die fiktionale Unterhaltung an konsensfähigen, wissenschaftlich fundierten und ethisch gerechtfertigten Qualitätskriterien, die auf den gesetzlichen Funktionsauftrag abgestimmt sind und den höheren künstlerischen Freiheitsgraden von Spielfilmen, Serien und TV-Movies Rechnung tragen (vgl. von Rimscha, de Acevedo & Siegert 2010, Gerlach 2020, Weber 2020). Gerade für diesen besonders reichweitenstarken und nur sehr finanzintensiv zu produzierenden Programmbereich, dem auch von Sendern bei der Rückeroberung jüngerer Zuschauergruppen eine zentrale Rolle zugeschrieben wird, und dem der Gesetzgeber ausdrücklich eine ö/r Profilierung auferlegt hat, ist der Bestand an wissenschaftlich gesichertem Wissen und an wissenschaftlicher Beratungskompetenz ausgesprochen unterentwickelt. Wissenschaftliche Wissensgrundlagen und wissenschaftliche Beratungskompetenz zu Fragen der Qualität von beitragsfinanzierter fiktionaler Unterhaltung überhaupt erst einmal zu schaffen, scheint mir im laufenden Reformprozess eine vordringliche Aufgabe. Gefordert ist hier nicht nur die Rundfunkpolitik der Länder, sondern gefordert sind auch die Wissenschafts‑ und Forschungspolitik von Bund und Ländern und die universitäre und außeruniversitäre Forschung selbst.
Marion Esch, daff.tv, 09.09.2024 (online)