Medienleute betonen gern, dass es mehr nütze, angesichts der Multikrisen auch positive Entwicklungen hervorzuheben, mutmachende Beispiele zu liefern, die gute Laune hoch zu halten, nur bloß keine Endzeitstimmung zu verbreiten. […]
Die Lösung vieler Medienmacher lautet, die unangenehmen Wahrheiten etwas weniger unangenehm zu machen, sie mit Hoffnung zu würzen, mit Humor. Die Natur stirbt, die Demokratie bröckelt, aber bitte locker bleiben, sonst schalten alle weg, sonst laufen uns Abonnenten davon, Leute also, die für vermeintlich noch mehr schlechte Laune bereit sind, Geld zu bezahlen, wo doch so viele andere eher dafür bezahlen würden, weniger Nachrichten zu sehen – völliger Quatsch, weil gut gemachte Berichterstattung auch Hintergründe erklärt und aus leerer Hysterie die Luft herauslässt. Wer die Zusammenhänge versteht, so kompliziert sie leider sind, hält schlechte Laune aus. Aber das Vertrauen darauf scheint zu schwinden. Die Sorge, Menschen zu verschrecken, sie mit vermeintlich auch noch linksgrüner Propaganda zu belästigen, lähmt den Journalismus ausgerechnet zu einer Zeit, in der er so dringend gebraucht wird wie seit 1949 noch nie.
Philipp Bovermann, sueddeutsche.de, 20.06.2024 (online)