Um Kreativität, Leistung und Ideen zu entfesseln, reicht eine Diversität der Identitäten nicht. Stattdessen braucht es vor allem: freie Vielfalt der Meinungen.
Manche Gegenwartsvokabeln ermüden durch Dauerpräsenz. Zu diesen Begriffen zählt das Wort „Diversität“, und auch das weniger effektheischende Synonym „Vielfalt“. Jedenfalls hat sich die Idee, Gruppen mit Menschen verschiedener Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht und Sexualität zu besetzen, zu einem moralischen Imperativ entwickelt. […]
Teams aus Menschen vielfältiger Herkunft produzierten automatisch bessere Ergebnisse, so die Behauptung, die auch Unternehmen wie die Beratungsfirma McKinsey vertreten. […]
Das Kreuz mit der Realität besteht darin, dass sie sich nicht um Wünsche und moralische Empfindungen schert. So verhält es sich auch im Zusammenhang von Diversität und Gruppenleistung: Viel wichtiger als eine bunte Mischung von Hautfarbe, Geschlecht, Sexualität oder anderer unveränderbarer Identitätsmerkmale ist eine Vielfalt der Meinungen. Wenn die Mitglieder eines Teams zwar unterschiedlich aussehen, aber alle die gleichen Wertvorstellungen und Ansichten vertreten, erzeugt das Konformität. Statt kreative Energie zu entfesseln, können solche Gruppen dünne Einheitssuppe oder gar Fehlentscheidungen produzieren. […]
Die Vielfalt der Meinungen ist dafür eine wesentliche Bedingung, aber alleine damit ist es auch nicht getan, natürlich nicht. In den betreffenden Gruppen muss ein Klima herrschen, unter dem sich die Mitglieder auch trauen, abweichende Ansichten zu vertreten.
Sebastian Herrmann, sueddeutsche.de, 21.06.2024 (online, Paid)
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