Doch wenn die Digitalisierung bisher eine Form des organisierten Kulturdiebstahls möglich machte, dann ist generative künstliche Intelligenz ein Plünderfeldzug. Die Zivilgesellschaft kommt da kaum hinterher. Vor allem, weil sich KI derzeit in einem Tempo weiterentwickelt, bei dem die Prozesse der Demokratie, die eben auch ein neues Urheberrecht schaffen könnten, immer ins Hintertreffen geraten. Der Eindruck verstärkte sich in Berlin leider auch mit jedem Statement der Hilflosigkeit und Überforderung der verschiedenen Abgesandten aus Ministerien, Parlamenten, Ausschüssen und Brüssel. […]
Der Urheberrechtsanwalt Peter Schønning brachte zum Beispiel aus seiner Heimat Dänemark die Idee mit, man müsse nicht nur das Urheberrecht reformieren, sondern auch die Definitionen. Man müsse zum einen jeden Output einer KI, die mit Kulturgütern trainiert wurde, zur Reproduktion erklären, so wie eine Schallplatte oder ein Video. Zum anderen müsse man beim Begriff „im Stil von“ die Grenze zwischen der Freiheit des Ausdrucks und dem Schutz vor Imitation verschieben. […]
Der einzige Lichtblick in der KI-Debatte ist das KI-Gesetz der Europäischen Kommission, das derzeit in Brüssel verhandelt und vielleicht noch dieses Jahr in die Ratifizierungsrunden gegeben wird. […] Allerdings droht das KI-Gesetz gerade zur hohlen Geste zu zerfallen. Deutschland, Frankreich und Italien haben sich am 18. November in Brüssel mit einem gemeinsamen Papier quergestellt und wollen die digitalen Konzerne nur noch zu einer „obligatorischen Selbstregulierung“ verpflichten. […]
Treibende Kräfte dieser unseligen Wende, die in den Vorträgen immer wieder, in den Pausen andauernd in den Gesprächen auftauchten, sind eben jener Habeck und der ehemalige Staatssekretär für Digitales und Macron-Kumpel Cédric O. Die beiden könnten nun im Tandem das weltweit erste KI-Gesetz verkrüppeln.
Andrian Kreye, sueddeutsche.de, 28.11.2023 (online)