Im Fernsehen sind Literaturgespräche seit den legendären Zeiten Marcel Reich-Ranickis im „Literarischen Quartett“ zwar nicht weniger geworden, aber auf den Hund gekommen: laut Sendern immer weniger Quote, laut Buchhandel immer weniger Wirkung, laut Zuschauern immer spätere Sendezeiten. Was davon jeweils Ursache war, was Wirkung, das ist umstritten, am Befund lässt sich indes nicht rütteln, und der Umbau beim Rundfunk ist auch in vollem Gange – dabei werden vor allem immer kürzere Beiträge über Bücher beklagt. Gleichzeitig boomen Literaturpodcasts mit Gesprächen, die zeitlich unbegrenzte Möglichkeiten bieten: beliebig lang, jederzeit abrufbar. Meist allerdings sind sie nur akustisch verfügbar; eine gute Unterhaltung profitiert aber auch vom Blick auf die Gesprächspartner. […]
Die durch den zeitlichen Rahmen (oder besser Rahmenverzicht) gebotene Möglichkeit, argumentativ auszuholen, bisweilen mehrere Minuten lang aus den diskutierten Texten vorzulesen, bisweilen auch Themen wiederaufzunehmen, die schon eine Stunde vorher zur Sprache kamen – das alles erinnert tatsächlich an Gesprächssituationen unter aneinander interessierten Menschen. Also an etwas, das man in Talkshows kaum noch sieht. Und im Alltag immer seltener erlebt.
Andreas Platthaus, faz.net, 14.03.2024 (online, Paid)