Gerade einmal etwa 3 Prozent der Sendezeit der reichweitenstärksten US-amerikanischen Nachrichtensendung, der ABC World News Tonight, entfielen im Jahr 2022 auf den Globalen Süden, obwohl dort etwa 85 Prozent der Weltbevölkerung leben. Der Bürgerkrieg im Jemen, den die Vereinten Nationen als „weltweit schlimmste humanitäre Krise“ bezeichneten und der Bürgerkrieg in der nordäthiopischen Region Tigray, der als „tödlichster Krieg des 21. Jahrhunderts“ gilt, wurden in den Nachrichten vollständig ignoriert. […]
Kulminationspunkt der Marginalisierung von Themen des Globalen Südens in den ABC World News Tonight war im Jahr 2022 schließlich die vollständige Ignorierung der Bürgerkriege im Jemen und in Äthiopien. Im Jemen, wo seit 2014 Huthi-Rebellen gegen die Regierung kämpfen, starben bis Ende 2021 über 377.000 Menschen. Die Vereinten Nationen bezeichneten die Situation im Land als „weltweit schlimmste humanitäre Krise“. Bis heute sind mehr als 23 Millionen Menschen (darunter die Hälfte Kinder) und damit etwa Zweidrittel der Bevölkerung auf humanitäre Hilfe angewiesen. Ebenfalls höchst angespannt ist die humanitäre Lage in der nordäthiopischen Region Tigray. Mit schätzungsweise bis zu 600.000 Toten gilt der dort von 2020 bis 2022 militärisch ausgetragene Konflikt als „tödlichster Krieg des 21. Jahrhunderts“. In den ABC World News Tonight wurden der Jemen und Äthiopien lediglich en passant in zwei Beiträgen in anderen Zusammenhängen aufgezählt. Im gesamten Jahr wurde kein einziger Beitrag zur „weltweit schlimmsten humanitären Krise“ und zum „tödlichster Krieg des 21. Jahrhunderts“ ausgestrahlt.
Ladislaus Ludescher, ejo-online.eu, 21.5.2024 (online)