Ihr Beruf ist es, zu bewerten und den Nachrichten so viel Aufmerksamkeit zu geben, dass sich ein möglichst relevanz- und wahrheitsgemäßes Bild ergibt. So stellt man sich das jedenfalls im Idealfall vor.
Tatsächlich nutzen Medien Unterhaltungselemente, Zuspitzungen und Vereinfachungen. Das erscheint auf den ersten Blick vor allem als Übel, aber es hat durchaus einen Sinn, um nicht das Wort Segen zu verwenden, denn nur so wird es möglich, einer großen Öffentlichkeit komplexe und komplizierte Themen überhaupt erst einmal zu vermitteln.
Es ist eine Abwägung, die Medien hier treffen. Mit einem zunehmenden Unterhaltungsanteil wächst die Chance, ein großes Publikum zu erreichen, aber es gehen Informationsgehalt, Details und Schärfe verloren. […]
Medien könnten anders vorgehen. Sie könnten schauen: Wo ist es am schlimmsten? Wo sterben die meisten Menschen? Wo sind die Zahlen am höchsten? Dann hätte die U-Boot-Suche vielleicht eine ähnliche mediale Bedeutung wie ein schwerer Autounfall in Südfrankreich. Ganz oben auf den Seiten stünden Meldungen über flüchtende Menschen aus dem Mittelmeer und den Krieg in der Ukraine, aber dann nähme auch die Hitzewelle in Indien mehr Raum ein, die in den vergangenen Tagen über hundert Menschen das Leben gekostet hat. Und wahrscheinlich hätte man auch etwas von dem Bootsunglück in Nigeria gehört, bei dem mehr als hundert Menschen starben.
Ralf Heimann, MDR Altpapier, 23.6.2023 (online)