Viel zu häufig ist nicht genug Zeit da, ein Thema bis zum Ende auszurecherchieren. Und genug Luft, regelmäßig Themen ausführlich anzurecherchieren, die nicht fast sicher in einer der nächsten Sendungen laufen werden. Selbst in den Formaten, die bekannt sind für Recherche und in ihren Sendern genau dafür zuständig sind. Die großen Recherchen sind diejenigen, die sich diese Formate zwischendurch bewusst leisten oder dank Eigeninitiative und Überstunden der Reporterinnen zustande kommen – sie sind längst nicht die Regel. […]
Was es braucht in den öffentlich-rechtlichen Sendern, ist eine investigative Kultur. Und die entsteht nur, wenn das wirklich alle wollen. Nicht nur das Vorzeige-Politikmagazin oder das einzelne Funk-Format. Diese investigative Kultur muss von ganz oben kommen und in alle Redaktionen ausstrahlen […] Wenn ich nur darauf achte, in der nächsten Rundfunkratssitzung keine Fehler erklären zu müssen, dann etabliere ich keine investigative Kultur. Wenn ich mich immer zu allen Seiten absichere, schaffe ich kein Vertrauen für mutige Recherchen. Ich muss die Bereitschaft haben, mich vor meine Reporterinnen zu stellen, auch wenn diese von Unternehmenschefinnen und Politikerinnen angefeindet werden. Oder von Ministerpräsidentinnen, die den Rundfunkbeitrag absegnen müssen.
Daniel Drepper, journalist.de, 26.1.2023 (online)