Man kann über den Agitator Berlusconi viel Schlechtes sagen, aber im Vergleich zu seinen Partnern in der Rechtsregierung wirkte er im Umgang mit unbotmäßigen Journalistinnen und Journalisten regelrecht lässig.
So ist er über seinen Tod hinaus Teil einer wunderbaren Episode: Bianca Berlinguer, die Journalistin, die ihn in Interviews vielleicht am meisten geärgert hat, Tochter des letzten bekannten Kommunistenführers Italiens, ist wie viele andere Stars aus der Rai geflohen – ausgerechnet zu Berlusconis TV-Imperium Mediasat, das von Sohn Pier Silvio geleitet wird. Der nahm die Fernsehfrau auf, nicht um sich vom Vater zu emanzipieren, sondern weil er den journalistischen Scoop sah. Als er dem todkranken Silvio seine Entscheidung mitteilte, so erzählt es der Sohn, habe der Alte nur die Augenbraue gehoben.
Diese Gelassenheit geht Meloni und Salvini ab. Sie leben in ihrer Blase, sie wollen das Land in ihrem Sinne umerziehen. Nur leider verträgt Kultur Gleichschaltung nicht, sie lebt von der Freiheit und dem Widerspruch. Das verstehen die nicht, die ganz rechts stehen – und betreiben so eine für Italien sehr traurige Entwicklung.
Marc Beise, sueddeutsche.de, 13.09.2023 (online)